Sonstiges - Pressespiegel

 
Sicherheit durch grünen Rahmen newsklick.de 17.03.02

Hundertschaft der Polizei begleitet Gästefans aus Chemnitz beim Fußball: trennen und beruhigen

Von Karla Götz

"Auswärtssieg!" brüllen sie und schütteln die Fäuste. Spannung liegt in der Luft, als die weißblau dekorierten Fans aus Chemnitz um 12.30 Uhr nach fünf Stunden alkoholreicher Zugfahrt von einer Hundertschaft Polizei am Bahnsteig 8 in Empfang genommen und ins Eintracht-Stadion eskortiert werden. Ein perfekt verzahnter Einsatz beginnt, der 17.15 Uhr mit Abfahrt der Sachsen an gleicher Stelle enden wird. Erster Polizeihauptkommissar (PHK) Uwe Schlichting, dienstältester Hundertschaftsführer der Landesbereitschaftspolizei Niedersachsen, weist seine Zugführer ein. Zwei Züge mit je 30 Männern und Frauen sind aus Lüneburg angereist, ein dritter Trupp gehört zur Braunschweiger Polizeidirektion, eine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit aus Hannover, bewaffnet mit Kameras, verstärkt das Aufgebot. "Zwischen den Auswärts- und den Eintrachtfans besteht eine Feindschaft, das kann gewalttätig enden, also separieren wir", erklärt Schlichting, der von Chemnitzer Kollegen bereits die Zahl der Eintreffenden, 170, genannt bekam.
Wie in Vorbereitung auf eine Schlacht legen die Männer und Frauen ihre "Protektoren", Körperschutz aus Metall oder Plastik für Schienbeine, Arme und Oberkörper an. Die Uniformen blähen sich wie bei Rugby-Spielern, grün-weiße Kleinbusse stehen fahrbereit in Reih und Glied, Hunde bellen.
Unter den Fußballfans gibt es solche und solche. Die einen wollen ihre Mannschaft gewinnen sehen, die anderen kommen um des "Events" willen. Da sind Jungs in kurzen Jogginghosen dabei, denen drei Grad Außentemperatur wegen des hochprozentigen Gegengifts nichts ausmachen. Rein in die Busse und ordentlich geschaukelt, vielleicht kriegt man so ein Ding ja zum Kippen. "Diverse Scheiben gehen schon mal kaputt", weiß Busfahrer Dirk Schillig, "besonders wenn Hannover 96 spielt." Ohne Zeitverzug geht's mit Martinshörnern und Blaulicht im langen Konvoi über die Tangente ins Stadion. PHK Norbert Korallus sitzt im ersten Wagen und macht mit Lärm und Licht den Weg frei.
Am Ziel helfen die Polizisten beim Filzen. Ein großer Karton füllt sich rasch mit Unerlaubtem, insbesondere pyrotechnischen Erzeugnissen. Die Fans, gelegentlich ausfällig, werden, in die Nordkurve geleitet und grün gerahmt. Polizisten an den Seiten und unten. Hinter den Gittern geht es zu wie in einem Käfig voller Narren. Die Chemnitzer, die auf gut sächsisch auch mal grölen "Wir sind die Fußballfans aus Karl-Marx-Stadt" machen Betrieb: Blaue Mülltüten, weiße Luftballons, Schals in den Vereinsfarben kommen zum choreographierten Einsatz. Als der Torhüter ihrer Mannschaft rausgestellt wird, steigt dicker Nebel auf, einer hat doch eine Rauchbombe geschmuggelt. Später werfen sie mit Pappbechern und Klopapierrollen nach den Beamten, die sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sie hören gezielt auf Weisungen, die ihnen der Knopf im Ohr sagt. Die Stimme gehört zu Polizeioberrat Jörg Bodendiek vom nahegelegenen Zweiten Kommissariat, der wie immer die Einsatzleitung hat. "Vom Spiel sehe ich nichts", lacht er, obwohl der Ausblick aus der verglasten Galerie phantastisch ist. Eine Videokamera zoomt die Stimmungskanonen heran, fünf mussten bereits wegen Beamtenbeleidigung festgenommen werden. Einer hat bundesweit Stadionverbot, wie ein szenekundiger Beamter in Zivil ermittelt hat und verbringt das Spiel folgerichtig in einen "GefKw" Gefangenenkraftwagen - die Polizeisprache ist abkürzungsreich. Handys, Sprechfunk, Telefone, es wird ständig kommuniziert. Als die Chemnitzer im Block 18 sich zu entkleiden beginnen, scherzt Bodendiek: "Die geben buchstäblich ihr letztes Hemd."
Warum die Stimmung nur beim Fußball so aggressiv aufgeladen ist, beim Football aber nicht, PHK Holger Dreyer, fankundiger Spezialist, weiß es nicht. "Darüber wird viel geschrieben, ohne schlüssiges Ergebnis." Bodendiek dirigiert inzwischen den geordneten Rückzug. Polizisten komplimentieren die enttäuschten Chemnitzer (2:0) in die Busse. Freundlich, aber bestimmt, keiner kann ausbüxen und in der Stadt Unheil anrichten. Letzter Kommentar Bodendiek: "Abmarsch und alles Gute auf dem weiteren Lebensweg."

 
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